Werden Menschen aufgrund von Sprachbarrieren im Justizsystem benachteiligt? Ein Frankfurter Anwalt macht auf den Fall eines Betroffenen aufmerksam. © Arne Dedert/dpa/Symbolbild
14.08.2022, 13:49 Uhr
Ein Syrer soll wegen fehlender Deutschkenntnisse schikaniert worden sein. Das Amtsgericht in Frankfurt-Höchst dementiert.
Frankfurt – Flüchtlinge haben nach Ansicht des Frankfurter Rechtsanwalts und Mitglied der Kommunalen Ausländervertretung (KAV), Dr. Dr. Seyed Sharam Iranbomy, oft schon aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse schlechte Karten – er spricht sogar von vielen Fällen „gerichtlicher Diskriminierung“, die ihm zugetragen werden. Iranbomy berichtet von einem aktuellen Beispiel am Höchster Amtsgericht. Der Syrer Anas Alowayed sei wegen mangelnder Sprachkenntnisse vom Amtsgericht Höchst schikaniert worden.
Am vergangenen Mittwoch, so schildert er auf Berufung des begleitenden Sozialarbeiters, habe er einen Beratungsschein für seine verschiedenen Rechtsangelegenheiten abholen wollen. Vor allem gehe es Alowayed darum, Kontakt zu seinem mittlerweile 12-jährigen Sohn und seiner 10-jährigen Tochter zu erhalten – beide habe er seit sieben Jahren nicht mehr gesehen. Doch die Sachbearbeiterin habe sich geweigert, den Beratungsschein anzunehmen, dabei sei der Kindesvater bereits vergangene Woche zum Amtsgericht mit allen seinen Unterlagen gekommen.
Amtsgericht Frankfurt bemängelt, es fehle eine Unterschrift im Original
Begründung: Die Unterlagen seien nur Kopien und Alowayed habe sie nicht im Original unterschrieben. Die Mitarbeiterin sei bei ihrer Weigerung geblieben, obwohl der Sozialarbeiter geltend gemacht habe, dass die Unterschrift original und nur das Papier eine aus Kopie des aus dem Internet heruntergeladenen Antrags sei. Auch habe sie sich geweigert, eine Bestätigung zu geben, dass sie den Antrag abgelehnt hat – und eine Begründung, warum. Daraufhin habe die Begleitung den Dienststellenleiter im Gericht sprechen wollen. Dies sei ihnen verweigert worden, ohne einen Grund genannt zu bekommen. Kurz darauf habe der Sozialarbeiter dann doch noch eine Stelle im Gericht gefunden, die den Antrag auf den Beratungsschein und die notwendigen Unterlagen annahm.
Iranbomy spricht von Diskriminierung und sieht den Fehler im System: „In der Justiz besteht ein besonders großer Bedarf an einer interkulturellen Öffnung und an kultursensiblen Angeboten, da es dort oft um weitreichende menschliche Eingriffe geht, die der intensiven Beratung einer Fachperson bedarf“, erklärt er. Hinzu kämen Notfälle, die schnelles Handeln erforderten. Und: „Gerade die Notfallrechtshilfen werden überdurchschnittlich von Menschen mit Migrationshintergrund benötigt.“
Frankfurter Anwalt schlägt allzeit bereite Übersetzer vor
Konkret schlägt der Anwalt ein Kommunikationszentrum vor, in dem Übersetzer aller relevanten Sprachen parat stünden – und mit einem Anruf von den verschiedenen Behörden der Stadt für Gespräche mit den Hilfesuchenden konsultiert werden könnten. „Das würde jährlich 40 000 Euro Kosten und in der Stadt etwa 30 000 betroffenen Menschen helfen“, sagt Iranbomy.
Das Amtsgericht Höchst sieht den geschilderten Fall grundlegend anders. Nach Auskunft von Sprecherin Malaika Broosch habe die zuständige Rechtspflegerin Alowayed bei seinem ersten Besuch gesagt, dass er erneut mit Unterstützung einer Übersetzungshilfe zum Gericht kommen solle, damit der Antrag aufgenommen werden könne. Auch einen Antragsvordruck habe er mitbekommen. Davon habe Alowayed am Mittwoch eine Kopie mitgebracht, in der die Angelegenheit nicht – wie vorgeschrieben – konkret, sondern „lediglich schlagwortartig“ beschrieben worden sei. Doch statt den Antrag zurückzuweisen, habe die Mitarbeiterin den Syrer mit Rücksicht auf seine mangelnden Sprachkenntnisse um genauere Angaben gebeten.
Angestellte der Amtsgericht-Außenstelle Frankfurt-Höchst seien für derartige Fälle „sensibilisiert“
Kurze Zeit später sei er mit seiner Begleitung zurückgekommen, die sehr aufgebracht darüber gewesen sei, dass Alowayed immer noch keine Scheine erhalten habe. Doch weder habe er übersetzt, noch sonst versucht, seinem Schützling den Sachverhalt zu vermitteln. „Es war ihm vordringlich daran gelegen, seine Unzufriedenheit lautstark zum Ausdruck zu bringen, und er unterstellte der Sachbearbeiterin, bewusst keinen Berechtigungsschein zu erteilen, weil Herr A. kein Deutsch spreche“, sagte Broosch.
Die Mitarbeiter der Außenstelle Höchst hätten „täglich Austausch mit Menschen unterschiedlicher Herkunft und kultureller Prägung“. Sie seien „dafür sensibilisiert, dass bei sprachlich und kulturell bedingten Verständigungsschwierigkeiten eine intensive und einzelfallgerechte Begleitung der Rechtsuchenden durch das Gericht notwendig ist“. Dies werde „jederzeit geleistet“. (mfo)