Die Teilnehmer der Gesprächsrunde (von links): Elias Altuntas, Jürgen Schlicher, Dr. Dr. Seyed Shahram Iranbomy und Mohammed El Bujaddaini. © bt

16.11.2022, 13:45 Uhr
Von: Manfred Becht

Veranstaltung des Ausländerbeirats gewährt Einblicke in das sensible Thema Diskriminierung

Hofheim. Es war eine bemerkenswerte Veranstaltung, die der Ausländerbeirat da kürzlich im Kino Hofheim für rund 100 Besucher organisiert hatte. Erstens bemerkenswert, weil ein Vater eines aus Madagaskar stammenden Adoptivkindes über Diskriminierungen berichtete, die dieses in seinem Alltag erleben musste. Beim Spiel mit seinem Fußballverein gab es vom Gegner auf dem Platz so lange rassistische Beleidigungen, bis der Jugendliche weinend das Spielfeld verließ. Und sogar in der Grundschule habe sich vor Jahren eine Lehrerin ebenfalls rassistisch verhalten.

Starke Einschränkungen persönlicher Freiheiten

Wozu führt das? Bei der aktuellen Suche nach einem Ausbildungsplatz spiele auch die Überlegung eine Rolle, wo die Gefahr groß sein könnte, sich derartigem erneut auszusetzen. Und seit Jahren habe die Familie immer im Hinterkopf, möglichst Situationen zu meiden, in denen es zu solchen Vorfällen kommen könnte. So etwas wird natürlich als starke Einschränkung persönlicher Freiheiten wahrgenommen.

Die Veranstaltung war auch eine Reaktion auf eine Diskussion im Sozialausschuss des Stadtparlaments beim Beschluss zum Beitritt der Stadt zur Städtekoalition gegen Rassismus. Der Beschluss war am Ende einstimmig gefallen, aber zuvor war auch die Einschätzung vertreten worden, es gebe in Hofheim keine Probleme mit Rassismus. Ganz so ist es wohl doch nicht.

Bemerkenswert war die Veranstaltung zweitens wegen des Filmes „Der Rassist in uns“, der zum Einstieg gezeigt wurde. Autor Jürgen Schlicher berichtet über ein Experiment und Anti-Rassismus-Training, bei dem man erkennt, wie schnell man bereit ist, diskriminierendes Verhalten zu akzeptieren, wenn es von der eigenen Gruppe ausgeht. Das stimmt nachdenklich. Das Trainingsprogramm werde inzwischen von vielen großen Firmen gebucht, zuletzt auch von der Bundeswehr, ließ Schlicher als Teilnehmer der Podiumsdiskussion immerhin erkennen, dass das gesellschaftliche Bewusstsein gewachsen ist.

Bemerkenswert war die Veranstaltung drittens, weil Dr. Dr. Seyed Shahram Iranbomy auf dem Podium saß. Der hielt sich auf die Frage nach dem, was zu tun sei, nicht mit politisch korrekten Sprachspielereien auf, deren Nutzen kaum nachzuweisen ist. Nützlicher wäre Antirassismustraining, zum Beispiel in allen Behörden, und das verpflichtend. „Leute, die freiwillig kommen, brauchen es am wenigsten“, ist der Frankfurter Rechtsanwalt überzeugt.

Konkrete Ideen gegen Diskriminierung

Zwei Stunden Deutschunterricht für jeden Grundschüler mit Sprachproblemen, speziell für Diskriminierungsfragen ausgebildete und zuständige Elternbeiräte, Deutschunterricht für Flüchtlinge in deren Unterkünften, das sind seine konkreten Forderungen. Und dass das Land Hessen immer noch kein Antidiskriminierungsgesetz hat, und das bei grüner Regierungsbeteiligung, könne der Jurist nicht verstehen. „Man muss halt die richtigen Parteien wählen“, kommentierte Filmemacher Schlicher noch.

Und viertens war die Veranstaltung bemerkenswert, weil sich zeigte, dass es ziemlich schwierig ist mit einem Bewusstsein für gesellschaftliche Diskriminierungen. Denn das Publikum wurde begrüßt als vor allem aus der weißen Mehrheitsgesellschaft bestehend, ohne eigene Diskriminierungserfahrungen. Zumindest einer der vier hauptberuflichen Antidiskriminierungs-Experten auf dem Podium hätte an der Stelle mit dem Hinweis einschreiten können, dass die Gleichberechtigung von Männern und Frauen auch noch nicht erreicht ist – auch geschlechtsspezifische Benachteiligungen sind diskriminierend. Weil es am Ende noch hieß, jeder müsse in seinem Wirkungskreis gegen Diskriminierungen einschreiten, soll dies hier auch Erwähnung finden.

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